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Hochwasser in Süddeutschland: “Wir haben bis zum Umfallen gekämpft. Wir wollten unser Haus retten”


Am Sonntag traf das Hochwasser auf das Dorf Reichertshofen in Bayern. Die Dorfbewohner halfen sich gegenseitig, ihre Häuser zu retten. Die 73-jährige Elisabeth Pichler stand stundenlang barfuß im Wasser und schippte mit einem Eimer Wasser aus ihrer Einfahrt. 

Morgens um kurz vor zehn kam das Wasser. “Wie eine Sintflut”, sagt Elisabeth Pichler. Die 73-Jährige wohnt in Reichertshofen, ist dort geboren und aufgewachsen. Ihr Haus befindet sich etwa 50 bis 70 Meter von dem Fluss Paar entfernt. “Früher ist die Paar auch manchmal übers Ufer getreten, dann waren Wiesen überschwemmt, aber so etwas habe ich noch nicht gesehen.” Von der Holzhandlung um die Ecke wurden Holzstücke angeschwemmt. Innerhalb von Minuten stieg das Wasser in die Einfahrt der Rentnerin. Sie informierte ihren Bruder und seine Frau, Bernhard und Sabine Cerhak, die Eigentümer des Hauses. Ungefähr 30 Minuten später trafen sie ein. “Als wir ankamen, standen wir schon kniehoch im Wasser und später ging es sogar bis zu den Oberschenkeln”, erzählt Bernhard Cerhak. “Da war ein richtiger Swimmingpool im Hof”, sagt Sabine Cerhak. 

Das Dorf Reichertshofen südlich von Ingolstadt wurde am Sonntag beinahe komplett geflutet, nachdem zwei Dämme in der Umgebung gebrochen waren. Umliegende Straßen wurden gesperrt, der Strom fiel aus. Die Einwohner saßen fest. Viele wurden evakuiert und fanden in der nahe gelegenen Schule Unterschlupf. Elisabeth Pichler blieb in ihrem Haus. Mit ihrem Bruder, der Schwägerin und dem Nachbarn versuchte sie, das Haus vor dem Wasser zu schützen. 

Hochwasser: Aus dem Hof kamen sie nur noch über eine Leiter

“Ich habe die Teppiche zusammengerollt und hochgelegt”, sagt Pichler. “Mein Nachbar hat mir geholfen, die Couch mit vier Steinen etwas höher zu stellen.” Dann mussten Sandsäcke organisiert und Dämme gebaut werden. 

Das Wasser stand schon hoch, als die ersten Säcke in ihrer Einfahrt ankamen. Teilweise wurde diese von Bauern mit ihren Traktoren direkt zum Haus gefahren oder von Nachbarn weitergegeben. “Wir haben zwei Dämme gebaut”, sagt Bernhard Cerhak. “Einen am Eingang und einen weiter hinten im Hof.” Doch schon bald mussten sie den vorderen aufgeben, um den hinteren höher zu bauen. Aus dem Hof kamen sie nur noch über eine Leiter, die am Eingangstor stand. 

Elisabeth Pichler und Sabine Cerhak machten gegen 15 Uhr eine kleine Pause, als es donnerte. “Das Wasser kommt”, rief Bernhard Cerhak. Alle eilten in den Hof. Von unten drückte das Wasser durch den Gully, von oben goss es in Strömen. Alle griffen sich Eimer und schippten das Wasser von der einen Seite des Dammes auf die andere. “Wir bekamen Panik, da wir ja nicht wussten, wie lange der Regen anhält”, sagt Bernhard Cerhak. Keiner hatte Handyempfang, keiner wusste: Ist das nur ein Platzregen oder regnet es die nächsten Stunden so weiter? 

Sabine Cerhak dachte, dass sie das nicht schaffen. “Aber wir haben bis zum Umfallen gekämpft, denn wir wollten unser Haus retten.” In den Keller und in ein Geschäft im Erdgeschoss lief Wasser. Die Wohnung von Elisabeth Pichler, die ein bisschen weiter hinten liegt, blieb trocken. “Es ging Hand in Hand”, sagt Sabine Cerhak. “Der Zusammenhalt hat uns sehr berührt.” Schließlich hörte das Gewitter auf und das Wasser drang nicht weiter vor. Über Nacht verliessen alle das Haus. Als sie zurückkamen, war das Wasser weg.

“Kann ich mich auf Sie verlassen, Herr Söder?”

Am Montag besuchten Bundeskanzler Scholz und Bayerns Ministerpräsident Söder Reichertshofen. Sabine Cerhak konnte sich die Chance nicht entgehen lassen. Sie sprach Söder direkt an und forderte ihn auf, sich ein Bild von ihrem Haus zu machen. “Kann ich mich auf Sie verlassen, Herr Söder?”, sagte sie. “Ja, ich komme”, bestätigte er. Dann stand nur sein Referent vor der Tür und erklärte, dass Söder verhindert sei. “Das hat mich enttäuscht”, sagt Sabine Cerhak. Unwetter am ersten Juni WE

Elisabeth Pichler klingt heiser. Sie war schon erkältet, bevor die Überschwemmung kam. Dann stand sie stundenlang barfuß im Wasser und schippte. Jetzt muss sie erst mal wieder die Wohnung aufräumen. “Da schaut es aus, absolutes Chaos”, sagt sie. Und dann will sie in ihren Schrebergarten, der sich in der Nähe befindet. Dort soll auch alles überschwemmt gewesen sein. Sie hofft, dass in ihrem kleinen Paradies nicht zu viel kaputt gegangen ist. 




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Author : Katharina Hoch

Publish date : 2024-06-04 13:59:00

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