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Geheimdienst alarmiert: Kämpfen bald Nordkoreaner in der Ukraine?

Nordkorea schicke 12.000 Soldaten in die Ukraine, warnt der südkoreanische Geheimdienst. Ein Experte erklärt die gefährliche Freundschaft zwischen Wladimir Putin und Kim Jong-un.

Herr Tertizkij, in der Ostukraine sollen unweit von Donezk kürzlich sechs nordkoreanische Offiziere bei einem ukrainischen Raketenangriff ums Leben gekommen sein. Was ist darüber bekannt? 
Nicht viel. Soweit ich verstehe, sind in der russischen Armee derzeit Ausbilder aus Nordkorea im Einsatz. Sie helfen vermutlich beim Einsatz der nordkoreanischen Artilleriegeschosse und der Raketen, die Pjöngjang an Russland für den Krieg in der Ukraine liefert. Sie unterscheiden sich leicht von den russischen Waffen. Gleichzeitig sollen die Nordkoreaner offenbar von den Russen lernen. Solche Einsätze der Nordkoreaner gab es schon früher, allerdings nicht in Russland. Nordkorea hat zum Beispiele Militärangehörige nach Simbabwe geschickt. 

Nach ukrainischen Geheimdienstinformationen sind schon jetzt mehrere Tausend nordkoreanische Soldaten im Einsatz an der Front.
Derzeit ist das sicher noch nicht der Fall. Wären schon jetzt so viele Männer im Einsatz, wüssten wir das vermutlich. Die Soldaten müssen schließlich über die russisch-nordkoreanische Grenze, entweder per Bahn oder auf dem Seeweg. Dann müssen sie aus dem russischen Fernen Osten an die Front in der Ukraine gebracht werden. Das lässt sich schlecht verheimlichen. 

Der südkoreanische Geheimdienst meldete am Freitag, Nordkorea werde 12.000 Soldaten entsenden. Sie sollen angeblich russische Uniformen und gefälschte russische Pässe erhalten. Wie wahrscheinlich ist ein solcher Einsatz in den kommenden Wochen?

Angeblich sollen ganze Divisionen der nordkoreanischen Armee für Russland in den Krieg geschickt werden. Sollte das wirklich passieren, wäre es ein absolutes Novum für Nordkorea. So etwas gab es noch nie. Es ist auch unerwartet, denn es widerspricht eigentlich der Logik des nordkoreanischen Staates. 

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Inwiefern? 
Ein Soldat ist potenziell gefährlich. Er trägt eine Waffe, die er später womöglich auch gegen die eigene Führung einsetzen kann. Deshalb muss sich dieser Soldat nach Logik des nordkoreanischen Regimes im Landesinnern befinden, er muss vollständig kontrolliert und auch ideologisch bearbeitet werden. Wenn dieser Soldat an der Front kämpft, ist das schlecht möglich. Die Männer können dort nicht jeden Tag die Werke von Kim Il-sung lesen.

Traut der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un seinen Soldaten nicht? 
Der Grund für das Misstrauen hat historische Ursachen. In den 80er-Jahren, am Ende des Kalten Krieges, wurden einmal einzelne Offiziere zur Weiterbildung in sozialistische Staaten geschickt, nach China, in die Sowjetunion und in die DDR. Diese Auslandsreisen wurden damals individuell von der Staatsführung genehmigt. Es gab Offiziere, die in der Sowjetunion ausgebildet wurden, als dort die Perestrojka begann. Die Männer wurden zurückgeholt und planten anschließend einen größeren Aufstand gegen das Regime. 1992 wäre der beinahe umgesetzt worden. 

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Nordkorea schickte jahrelang offenbar bedenkenlos Tausende Arbeiter nach Russland. Sie arbeiteten als Forstarbeiter und auf Baustellen. Gegen diesen Auslandseinsatz gab es keine Bedenken?
Arbeiter sind etwas anderes. Die haben keine Waffen. Falls die sich nach ihrer Rückkehr gegen das Regime verschwören, ist das wesentlich schwerer als für Soldaten. Außerdem waren die Arbeiter traditionell an abgelegenen Orten im russischen Fernen Osten im Einsatz.

Wladimir Putin und Kim Jong-un unterzeichneten Mitte Juni in Pjöngjang ein Verteidigungsbündnis. Im Falle eines Angriffs auf eines der Länder ist der Bündnispartner laut Vertrag verpflichtet, militärisch zu unterstützen. Russland führt in der Ukraine zwar einen Angriffskrieg, behauptet aber in seiner Propaganda, es verteidige sich. Wäre ein Einsatz nicht sogar logisch? 
Russland hat Teile der Ostukraine annektiert. Nach russischer Gesetzgebung gehören die Gebiete zu Russland. Nordkorea hätte schon jetzt bereits seine gesamte Armee schicken müssen, um den Bündnispartner zu unterstützten. Im Prinzip hat Nordkorea den Vertrag schon gebrochen.

Der Vertrag wird derzeit von der Duma, dem russischen Parlament, ratifiziert. Könnte das ein Anlass für einen Einsatz der Nordkoreaner sein? 
Solche Verträge hat es auch früher schon gegeben, und Nordkorea hat noch nie Soldaten in einen Kriegseinsatz geschickt. Wenn Putin es schafft, Soldaten aus Nordkorea im Krieg gegen die Ukraine einzusetzen, wäre das für ihn ein großer Erfolg. Putin fehlen Männer an der Front und er will nicht noch mehr Männer in seinem eigenen Land mobilmachen. Für die Nordkoreaner wäre das jedoch sehr riskant. Wo der Vorteil für Kim Jong-un sein soll, ist unklar. Der Kreml müsste Pjöngjang dafür einen riesigen Preis zahlen. Und bislang sieht es nicht so aus, als würde Russland dazu bereit sein. STERN PAID 30_24 Nepalesen Russland 12:25

Was will Nordkorea von Russland? 
Nordkorea will Luftabwehrtechnik, Technologie für Interkontinentalraketen und Präzisionswaffen. Das wiederum ist eine rote Linie für Südkorea. Die Regierung in Seoul hat Russland gedroht, massenhaft Waffen in die Ukraine zu schicken, sollte Moskau Nordkorea damit ausstatten. Derzeit liefert Südkorea die Waffen nur indirekt in die Ukraine, über Polen und die USA.

Nordkorea liefert Munition und Raketen nach Russland. Wie wichtig sind die für Putins Krieg?
Beides ist sehr wichtig, vor allem die Munition. Nordkorea schickt Tausende von Containern nach Russland. Nach Berichten stammt die Hälfte der Geschosse, die in der Ukraine eingesetzt werden, aus Nordkorea. Viele sind alt und von schlechter Qualität, dafür haben die Russen dank der Nordkoreaner Massen davon zur Verfügung.

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Was liefert Russland dafür nach Nordkorea? 
Das weiß man nicht genau. Aber auf jeden Fall Öl, Lebensmittel und Geld. 

Wie viele Soldaten hat die nordkoreanische Armee? 
Nach Schätzungen etwa die Hälfte der Bevölkerung. In Nordkorea wird zwischen der ersten und zweiten Wirtschaft unterschieden, wobei die erste die zivile ist. Das Land lebt unter ständiger Mobilmachung. Mehr als eine Million Soldaten dienen in der Armee und warten praktisch darauf, dass ein Krieg ausbricht. Der Wehrdienst beträgt für alle Männer sieben Jahre. Das ist für nordkoreanische Verhältnis sogar kurz. Es waren einmal 13. 

Was wissen die Menschen in Nordkorea über den russischen Angriffskrieg? 
Die Medien in Nordkorea haben den Krieg lange verschwiegen. Inzwischen ist auch dort bekannt, dass in der Ukraine gekämpft wird. Die nordkoreanischen Medien wiederholen die Narrative der russischen Propaganda. In dieser Darstellung geht es also um einen Stellvertreterkrieg, den Russland angeblich in der Ukraine gegen die Nato führt, ein angeblicher Verteidigungskrieg der Russen. 

Nordkoreas Diktator Kim Jong-un (r.) pflegt gute Beziehungen zu Kreml-Chef Wladimir Putin. Letzterer profitiert allerdings mehr von dieser Zweckbeziehung
Nordkoreas Diktator Kim Jong-un (r.) pflegt gute Beziehungen zu Kreml-Chef Wladimir Putin. Letzterer profitiert allerdings mehr von dieser Zweckbeziehung
© Gavriil Grigorov

Wie tief ist die neue Freundschaft zwischen Nordkorea und Russland denn? 
Seit Beginn der 1990er-Jahre ist es das Ziel der nordkoreanischen Außenpolitik, neben China einen weiteren Handelspartner zu finden. Auf China fielen etwa 95 Prozent des nordkoreanischen Außenhandels. Zwei Länder kamen infrage: Südkorea und Russland. Doch lange waren alle Bemühungen vergebens. Die Munitionslieferungen und das neue Bündnis mit Russland sind deshalb ein Erfolg für Nordkorea. In Pjöngjang freut man sich sehr darüber. 

Wie wichtig ist Nordkorea für Russland? 
Das Bündnis ist für Russland eher temporär. Es ist jetzt aus taktischen Gründen wichtig. Langfristig ist Nordkorea für Russland eher nicht interessant. Zum einen sind die Nordkoreaner sehr arm und haben deshalb nur wenig zu bieten. Vor dem Krieg war Südkorea ein wichtiger russischer Handelspartner. Zweitens sind die Nordkoreaner sehr unzuverlässig, sie halten ihre Verträge und Verabredungen traditionell nicht ein. Der Staat ist sehr repressiv und unglaublich brutal. Wladimir Putin ist ein Diktator und ein äußerst unangenehmer Mensch, aber er ist längst nicht so blutrünstig wie das nordkoreanische Regime. Leute wie Xi Jinping oder Alexander Lukaschenko liegen ihm mehr. Nordkorea ist sogar für ihn zu viel.

Putin ließ zu, dass Kim Jong-un ihm im Sommer in Pjöngjang einen grandiosen Empfang bereitete. 
Das stimmt. Aber sogar die Südkoreaner haben festgestellt: Putin war sehr schnell wieder weg.




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Author : Bettina Sengling

Publish date : 2024-10-18 16:17:00

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