Der Konzeptkünstler ist 88 Jahre alt, aber gerade brandaktuell. Seit Jahrzehnten deckt er Missstände auf – und trägt die Konsequenzen. In der Ausstellung werden die Besucher auch zur US-Wahl befragt.
Ob Umweltverschmutzung oder dubiose Immobiliengeflechte: Hans Haacke macht aus Missständen Kunst. Er recherchiert, dokumentiert, legt offen. Die Frankfurter Kunsthalle Schirn zeigt vom 8. November 2024 bis zum 9. Februar 2025 das Gesamtwerk des 1936 in Köln geborenen Künstlers, der in Kassel studiert hat und seit 1965 in New York lebt.
Zu sehen sind rund 70 Gemälde, Fotografien, Objekte, Installationen, Plakate und ein Film. “Hans Haacke ist eine Legende der politischen Konzeptkunst”, sagt Schirn-Direktor Sebastian Baden. Sein Werk habe die Gegenwartskunst wesentlich geprägt, auch wenn sein Name vielleicht nicht allen Menschen etwas sage.
Seine Kompromisslosigkeit hat Konsequenzen
Haackes Arbeiten seien stets politisch, wie Kuratorin Ingrid Pfeiffer betont, “aber auch durchaus poetisch und humorvoll”. Mehrfach bekam er die Konsequenzen seiner Kompromisslosigkeit zu spüren – etwa als er 1971 mit Auszügen aus dem Grundbuchamt die nicht ganz legalen Grundstücksgeschäfte einer Familiendynastie in New York öffentlich machte und in der Folge vom Guggenheim-Museum ausgeladen wurde.
Wer nicht in die Ausstellung gehen will, kann trotzdem ein Werk sehen: In der öffentlich zugänglichen Rotunde der Schirn steht der “Geschenkte Gaul”, den Haake 2014 für den Trafalgar Square in London entwarf. An dem 4,5 Meter großen bronzenen Pferdeskelett läuft live der Ticker der Frankfurter Börse.
Im Reichstag vertreten
Die ältesten Arbeiten stammen aus den 1960er Jahren, einige entstanden für die documenta in Kassel. In vielen frühen Arbeiten geht es um Ökologie: 1969 ließ er in einer Ausstellung Küken schlüpfen, 1972 baute er eine “Rheinwasseraufbereitungsanlage” und plakatierte daneben, welche Firma was und wie viel einleitet.
1993 bekam Haake auf der Biennale in Venedig für seinen Beitrag den Goldenen Löwen: Er hatte den während des Nationalsozialismus gestalteten deutschen Pavillon in ein Trümmerfeld verwandelt. Im Reichstag bildet seit 2000 Haackes Schriftzug “Der Bevölkerung” am Boden den Kontrast zur Inschrift “Dem deutschen Volke” am Giebel.
“Berühmtester Wirtschaftsprüfer der Kunstgeschichte”
Viel Arbeiten beziehen die Besucher mit ein. In der Schirn bringen die Gäste etwa durch ihre Bewegung Glühbirnen zum Leuchten. In Anlehnung an eine ähnliche Aktion im New Yorker Moma 1970 hat Haacke für die Schirn einen “Frankfurt Poll 2024” entworfen, in dem die Besucher sich unter anderem zur US-Wahl und dem Nahostkonflikt äußern können.
Baden und Pfeiffer halten Haackes Kunst am Tag nach der Wiederwahl Trumps und dem Auseinanderbrechen der Bundesregierung für “hoch aktuell”. Er arbeite wie ein investigativer Journalist, decke Machtverhältnisse auf und sei “der berühmteste Wirtschaftsprüfer der Kunstgeschichte”, wie Baden sagte.
Ausstellungsinfos
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Publish date : 2024-11-07 13:31:07
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