Noch schiebt die SPD die Aufarbeitung der Wahlniederlage auf, ebenso die Führungsfrage. Wie könnte das Comeback der Sozialdemokratie glücken – und in welcher Konstellation?
Da war’s wieder eine weniger. Auch Manuela Schwesig, die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, hat sich vorerst selbst aus dem Spiel genommen.
“Nein”, antwortete Schwesig am Freitagmorgen im “Frühstart” von RTL und n-tv auf die Frage, ob sie vor der Landtagswahl im September 2026 für die SPD-Doppelspitze zur Verfügung stehe. Kurz, knapp und klar.
Erst kürzlich hatte auch ihre saarländische Amtskollegin Anke Rehlinger einen Wechsel in die Berliner Parteizentrale mit den Worten ausgeschlossen: “Ich werde es nicht.” Und ob Saskia Esken, die aktuelle, jedoch angezählte Co-Vorsitzende es wieder wird, gilt in der SPD als fraglich.
Rehlinger will nicht, Schwesig ziert sich, Esken soll nicht. Auch sonst drängt derzeit keine Sozialdemokratin in höhere Parteiwürden. Und genau deshalb kann es noch sehr spannend in der SPD werden.
Ende Juni will die SPD auf einem Parteitag ihre Spitze neu wählen. Die aufgeschobene Führungsfrage wird sich damit spätestens nach den schwarz-roten Koalitionsverhandlungen und der Mitgliederabstimmung über den Vertrag akut stellen. Bis dahin dürfte die Debatte auf Stand-by stehen – sonst könnte sich der Basisentscheid noch zu einem indirekten Votum über das Personaltableau verselbstständigen.
Zu diskutieren gibt es jedenfalls viel. Und zu streiten. Schließlich haben die Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl eine historische Niederlage erlebt, die auch auf die Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken zurückfällt.
Dabei stellt sich inzwischen auch immer lauter die Frage, ob es noch einer paritätisch besetzten Doppelspitze bedarf. Manche Sozialdemokraten testen die Debatte schon mal an, stellen eine Rückkehr zur Einzelspitze in den Raum – teils öffentlich, aber vor allem hinter vorgehaltener Hand. Während sich einstige Fürsprecher einer Parteispitze aus Mann und Frau auffällig zurückhalten.
Klingbeil als alleiniger SPD-Chef?
Es brauche eine Richtung, forderte Münchens SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter, nicht verschiedene Ansagen. Dabei brachte er Lars Klingbeil als alleinigen Parteichef ins Spiel. Reiter und Klingbeil sollen einen guten Draht zueinander haben. Den Vorstoß muss man daher nicht überbewerten. Oder muss man ihn erst recht als Wink verstehen?
Vor fünfeinhalb Jahren wählte die SPD-Basis Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans zur ersten Doppelspitze der Parteigeschichte. Nach dem Wahlsieg von 2021 folgte der damalige Generalsekretär und Kampagnenmanager Lars Klingbeil auf “Nowabo”, der sich zurückzog.
Laut SPD-Statut ist sowohl die Möglichkeit einer Einzelspitze als auch von “zwei gleichberechtigten Vorsitzenden, davon eine Frau” vorgesehen. In jedem Fall müsste ein Parteitag über die Aufstellung befinden. “Der Parteitag beschließt mit einfacher Mehrheit, ob ein Vorsitzender oder eine Vorsitzende oder aber zwei gleichberechtigte Vorsitzende, davon eine Frau, gewählt werden”, heißt es im Statut.
Wenn die Frauen in der SPD ihren Platz in der Doppelspitze freiwillig räumten und damit Macht abgäben, wäre das überraschend. Allein: Warum sollten ausgerechnet die Frau weichen – und nicht der Mann?
Auch Klingbeil steht unter Druck, gilt aber bislang als konkurrenzlos. Nach der Bundestagswahl hat er auch nach dem Fraktionsvorsitz gegriffen, um auf Augenhöhe mit der Union verhandeln zu können. Ein Machtausbau, der nicht jedem in der SPD auf Anhieb eingeleuchtet hat: War da nicht eine historische Wahlniederlage?
Doch durch den Billionencoup mit Friedrich Merz konnte Klingbeil die strauchelnden Genossen wieder etwas aufrichten und dadurch auch seine Position festigen. Manch einen in der SPD könnte das auf die Idee bringen, dass auch ein alleiniger Parteichef Klingbeil perspektivisch von Vorteil sein könnte.
Eine schwierige Konstellation
Sollte der 47-Jährige einen Ministerposten in einer Merz-Regierung anstreben, könnte Klingbeil als Vizekanzler und SPD-Chef in Personalunion mit ganz anderer Autorität am Kabinettstisch auftreten; mit größerem Gewicht – was angesichts der ungleichen Kräfteverhältnisse zur fast doppelt so starken Union von Bedeutung sein könnte.
Als mögliche Anwärterin für den SPD-Vorsitz wird auch der Name Bärbel Bas genannt, der früheren Bundestagspräsidentin. Die 56-Jährige hat eine sozialdemokratische Vorzeigekarriere hingelegt, wird auch als mögliche Ministerin gehandelt. Sie könnte als prominente Vertreterin des einflussreichen SPD-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen den (Macht-)Anspruch eben dieses Verbandes in einem künftigen Kabinett geltend machen. Zumal es einen Männerüberschuss aus Niedersachen gibt, dem anderen Powerhouse der Sozialdemokraten.
Doch wie attraktiv ist es, Teil einer Doppelspitze zu sein? Die Frage, wer von beiden sich besser anstellt, schwingt in dieser Konstellation immer mit. Das kann zu einem Konkurrenzverhältnis führen und den Drang provozieren, sich vom anderen absetzen zu wollen.
Klingbeil hatte vor und während des Wahlkampfs die Themen an sich gerissen, mit denen sich punkten lässt: den Kampf um Industriearbeitsplätze, die Sicherheitspolitik. Mit Bildung und Digitalem, wo es selten Erfolge zu vermelden gibt, konnte Saskia Esken kaum einen Stich machen. Eskens Malus war Klingbeils Bonus.
Wer außer ihr will sich das künftig antun?
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Author : Florian Schillat
Publish date : 2025-03-28 17:03:00
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